Gewalt in Teenagerbeziehungen

Sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen

Die ersten sexuellen Erfahrungen im Jugendalter sollten nicht mit Grenzverletzungen verbunden, sondern für beide ein positives Erlebnis sein.

„Schön ist nur, was beide wollen“

In der Pubertät und im Jugendalter spielen romantische und sexuelle Beziehungen eine wichtige Rolle. In dieser prägenden Zeit machen einige Mädchen und Jungen leider auch erste Erfahrungen mit Beziehungsgewalt. Es wird davon ausgegangen, dass Gewalt in Teenager-Beziehungen vergleichbar weit verbreitet ist wie in Paarbeziehungen von Erwachsenen. Jede vierte Frau in Deutschland ist von Partnerschaftsgewalt betroffen.

Unter dem Link http://www.was-geht-zu-weit.de kannst du unter anderem in einem Beziehungs-1×1 Tipps holen, wie man respektvoll miteinander umgeht, sich vor Grenzüberschreitungen schützt, welchen Rat man Freund*innen geben kann und wo es Hilfe gibt, wenn es kompliziert wird.

Nachfolgend erklären wir, was sexualisierte Gewalt und sexuelle Übergriffe sind und wie man sich schützen oder Betroffenen helfen kann.

Was ist sexualisierte Gewalt?

Sexualisierte Gewalt ist ein Macht- und Vertrauensmissbrauch. Sie ist eine individuelle Grenzverletzung, unabhängig von Alter und Geschlecht. Sexualisierte Gewalt meint jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem minderjährigen Menschen gegen dessen Willen vorgenommen wird, oder der die minderjährige Person aufgrund körperlicher oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Das bedeutet: Sexualisierte Gewalt findet immer in einem ungleichen Machtverhältnis statt (z. B. körperliche, zahlenmäßige, intellektuelle Unterlegenheit). Somit ist das Prinzip der Freiwilligkeitnicht gegeben.

Welche Formen sexualisierter Gewalt gibt es?

Formen sexualisierter Gewalt können beispielsweise sein:

  • sexualisierte Schimpfwörter und Gesten
  • Voyeurismus
  • Aufnehmen und Weitergeben von intimen Fotos oder Filmen ohne Zustimmung der betroffenen Person
  • Körperliche Übergriffe
    • ungewollte Berührungen, Grapschen
    • Date-Rape
    • Vergewaltigung
    • Gang-Bangs
  • Stalking

Genauere Definitionen finden sich in unserem Wortverzeichnis.

Warum kommt es zu sexuellen Übergriffen?

Viele Faktoren können eine Rolle für sexuelle Übergriffe spielen: Gewaltverherrlichende Medieninhalte in Pornos oder Liedtexten vermitteln Heranwachsenden das Bild, Gewalt sei in sexuellen Kontakten normal. Auch eine Fehlinterpretation in der Kommunikation ist problematisch (z. B. nein sagen und ja verstehen bzw. verstehen wollen). Hier setzt man sich über verbale Grenzen hinweg und geht falsch davon aus, dass nur eine aktive körperliche Gegenwehr Widerstand darstellt.

Im Freundeskreis spielt die bestehende Gruppendynamik eine wichtige Rolle. Durch Gruppenzwang können Betroffene dazu gebracht werden, ein sexuelles Verhalten zu zeigen, das sie selbst eigentlich nicht zeigen wollen und das ihre Grenzen verletzt.

Alkohol und andere Drogen können dazu führen, dass eigene Grenzen nicht deutlich gesetzt werden können oder Grenzen anderer nicht wahrgenommen und respektiert werden. Wenn Menschen gezielt unter Alkohol/ Drogen gesetzt werden, um ihren Widerstand und ihre Hemmschwelle zu schwächen und dadurch sexuelle Handlungen zu ermöglichen, liegt planvolles und absichtliches sexuell grenzverletzendes Handeln vor.

Sexuelle Grenzverletzungen in Teenagerbeziehungen

Die ersten Beziehungen im Teenageralter sind für die meisten etwas aufregendes und neues. Sexuelle Wünsche und Orientierungen wollen entdeckt und ausprobiert werden. Was sind eigene Wünsche und Sehnsüchte, aber auch Ängste? Welche Erwartungen und Vorstellungen spielen eine Rolle? Antworten auf solche Fragen werden in Peergroups, bei Flirts und in Beziehungen gesucht. Aber auch in Teenagerbeziehungen kann es zu sexuellen Grenzverletzungen kommen.

Sexuelle Grenzverletzungen unter Jugendlichen meinen beispielsweise ungewollte Küsse oder Berührungen, voyeuristische Blicke, verbale Übergriffe, sexuelle Anmache im Netz oder die Veröffentlichung von Nacktbildern und Filmen ohne Wissen und Einverständnis der Betroffenen. Die Grenzverletzungen sind nicht zwangsläufig gewalttätig, können aber in Gewalt enden.

Worte, Blicke oder Gesten können bei Mädchen und Jungen verletzen. Gerade, wenn sie das Gefühl haben, bestimmten Vorstellungen zu entsprechen müssen. Dabei geht es um Fragen wie: Wie erkenne ich, dass mich jemand mag? Und wie zeige ich es ihr*ihm? Wie funktioniert mein Körper? Wie der Körper der anderen Person? Wie erkenne ich ein Nein? Darf ich selber Nein sagen, auch wenn ich jemanden mag?

Um diese Fragen zu beantworten, ist es wichtig, die eigenen Grenzen zu kennen und Gefühle benennen zu können. Grenzen werden zum Beispiel durch Blicke, Worte, Körperhaltung, Mimik und Gestik aufgezeigt. Bei der Deutung solcher Signale kann es zu Missverständnissen und kommen. Ob das Verhalten ein Test oder eine Tat war, ist es gut zu wissen, wie Mädchen und Jungen mit Grenzüberschreitungen umgehen können.

Wenn Gefühle oder Bedürfnisse ausgenutzt werden, wenn Machtgefälle, Abhängigkeiten oder Sprachlosigkeiten entstehen oder wenn Drohungen benutzt werden, findet Gewalt statt.

Test oder Tat

Sexuelles Ausprobieren ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe im Jugendalter. Als solche birgt sie das Risiko, Grenzen anderer zu verletzen. Doch gibt es einen Unterschied zwischen dem Ausprobieren, wie weit man gehen kann, einem Test- und einem tatsächlichen Übergriff, der Tat.

Tester*innen Täter*innen
  • hören auf, wenn sie merken, dass sie einen Fehler gemacht haben
  • nehmen Signale wahr und reagieren darauf
  • fragen nach
  • entschuldigen sich
  • ignorieren die Signale und machen weiter
  • zeigen keine Einsicht
  • manipulieren ihr Gegenüber und das Umfeld
  • geben anderen die Schuld, wenn ihr Verhalten bekannt wird

Aus: Karmen Kerger-Ladleif (2012): Tat oder Test. Wie Jugendliche Grenzverletzungen erleben. In: Landesstelle Jugendschutz Niedersachen (2012): Grenzverletzungen. Sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen.

Anhänglichkeit und starke Aufmerksamkeit werden oft als Liebesbeweise verstanden. Sie können aber auch erste Warnzeichen für manipulierendes und kontrollierendes Verhalten sein. Verbale Demütigungen, Drohungen, Stalking, Telefonbelästigung, Bloßstellungen im Internet (siehe Digitale Gewalt – Tatort Internet) sowie Körperverletzung und Vergewaltigung sind Formen von Beziehungsgewalt. Die Erlebnisse können traumatisierend wirken und nachhaltige Folgen für die soziale Entwicklung der Betroffenen haben.

Folgen sexualisierter Gewalt

Sexualisierte Gewalt bedeutet für Betroffene eine massive und weitreichende Verletzung von Körper und Seele. Sie hat fast immer langfristige Folgen für die Opfer. Folgen von sexualisierter Gewalt können u. a. sein:

  • Scham und Schuldgefühle
  • Unterleibsbeschwerden
  • Essstörungen
  • Migräne
  • Flashbacks
  • Selbstverletzendes Verhalten
  • Posttraumatische Belastungsstörung
  • Abspaltungen der eigenen Gefühle sowie Erinnerungslücken
  • Vertrauensverlust in Personen sowie Sozialer Rückzug

(vgl. www.alterundtrauma.de)

Viele Heranwachsende haben schon Grenzverletzungen erlebt. Tatpersonen sind auch Menschen, die die Betroffenen vorher als Freund*innen betrachtet haben. Nicht immer gelingt es, sich jemanden anzuvertrauen. Dann fühlen sich Betroffene mit ihren Ängsten, Gefühlen und Schmerzen allein gelassen. Um das Risiko weiterer Grenzverletzungen zu vermeiden, haben sie zum Beispiel Angst, zur Schule zu gehen. Vor allem Mädchen entwickeln nicht selten die Vorstellung, dass Freund*innen mit ihnen machen dürfen, was sie wollen. Sie geben sich eine Mitschuld. Dabei tragen Schuld und Verantwortung die Tatpersonen. Nach erlebten Grenzverletzungen oder sexueller Gewalt ist es für Betroffene schwierig, eine Vorstellung von gleichberechtigter, liebevoller Sexualität zu entwickeln und diese auch einzufordern.

Kampagne Was geht bei Euch? – Beziehungen auf Augenhöhe

Diese Kampagne des bff (Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe) setzt sich für gewaltfreie Beziehungen auf Augenhöhe ein und regt zum Nachdenken über eigene Beziehungen, Bedürfnisse, Macht und Konsens an.

In drei Beziehungstests zu den Themen Sexualität, Nähe/ Distanz und Kommunikation können sich Heranwachsende und junge Erwachsene humorvoll mit eigenen Erfahrungen, Ideen und Wünschen auseinandersetzen. Teil der Kampagne ist auch ein Videoclip, in dem Jugendliche zwischen 17 und 20 Jahren über Beziehungsfragen diskutieren und herausfinden, welcher Beziehungstyp sie sind.

Die Beziehungstests und den Videoclip gibt es auf der Website www.was-geht-bei-euch.de.

(Quelle: https://www.frauen-gegen-gewalt.de/de/aktionen-themen/kampagne-was-geht-bei-euch-beziehungen-auf-augenhoehe.html)

Wie kann ich mich gegen Grenzverletzungen oder sexualisierte Gewalt schützen bzw. wehren?

Gewalt und Grenzverletzungen verursachen Ohnmachts- und Angstgefühle. Wer in verschiedenen Situationen Gewalt und Grenzverletzungen erlebt, braucht gute Abwehrstrategien. Die eigenen Gefühle sind dabei oft das erste Warnzeichen, wenn eine Situation bedrohlich wird.

  • Tue auch in einer Beziehung wirklich nur das, was du willst. Sage klar und deutlich, wenn du etwas nicht möchtest. In einer Beziehung, in der die Partner*innen aufeinander Rücksicht nehmen, gibt es keinen Platz für Zwänge oder Drohungen.
  • Vertraue dich jemandem an, bei dem du dich sicher fühlst. Es kann erleichternd sein, über belastende Erlebnisse zu sprechen.
  • Auf eine verbale Anmache kannst du reagieren, indem du Abstand zur angreifenden Person hältst und laut einen Abwehrsatz wie „Halt!“, „Stopp!“ oder „Lass mich in Ruhe!“ rufst.
  • Falls Menschen in der Nähe sind, die helfen können: Zeige, dass das keine private Diskussion ist, sondern dass du angegriffen wirst. Sage ihnen, worum es geht und bitte sie direkt um Hilfe („Der Mann bedroht mich, bitte rufen Sie die Polizei“). Werden weitere Personen involviert, müssen Täter*innen ihre Situation neu abschätzen und kommen meistens zu dem Schluss, dass ein Weitermachen zu risikoreich wäre, weil zusätzlicher Widerstand
  • Wenn niemand in der Nähe ist, dann ist Weglaufen vernünftig. Körperliche Abwehr kann bei körperlicher Unterlegenheit unter Umständen gefährlich werden.
  • Wenn nichts anderes hilft: LAUT SCHREIEN! Das erregt Aufmerksamkeit und bringt Täter*innen aus dem Konzept.

Wie kann ich helfen?

Je mehr Menschen einer Gewaltsituation beiwohnen und nur zuschauen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle denken ‚Es sind ja noch andere da, die helfen können‘ oder Angst haben, selbst involviert zu werden. Man sollte sich selbst nicht in Gefahr bringen. Dennoch ist es wichtig, dass jemand reagiert.

  • Augenzeug*innen können helfen, indem sie die betroffene Person ansprechen und fragen: „Kann ich dir helfen?“
  • Angreifende können mit einer klaren, gezielten Ansage wie „Hören Sie bitte auf damit!“ angesprochen werden. Damit die Situation nicht eskaliert, die Tatperson besser nicht anschreien oder anfassen.
  • Ist man mit mehreren Freund*innen unterwegs, könnte man die angreifende Person gemeinsam überwältigen. Vorher sollte aber die Situation geprüft werden, ob dies nicht die Ausgangslage auch der von Gewalt betroffenen Person verschlimmern würde (z. B. wenn die Angreifer*innen eine Waffe haben).
  • Sind andere Personen in der Nähe, dann konkret um Hilfe bitten, z. B. „Sie mit dem grünen Pullover, bitte rufen Sie die Polizei!“

Hilfe zu holen, ist nicht Petzen. Es ist sehr wichtig, mit jemanden über die erlebte Gewaltsituation sprechen zu können. Betroffene von Gewalt verdienen Unterstützung. Tatpersonen müssen eine Grenze aufgezeigt bekommen, damit sie nicht denken, sie seien im Recht.

Weitere Informationen zum Thema

Du kannst dich beraten lassen

Wir helfen dir gerne und professionell! Du bist in deiner Situation nicht allein. Viele Mädchen erfahren dasselbe und nehmen unsere Hilfe in Anspruch. Du kannst einen Termin mit uns ausmachen, allein oder vielleicht mit deiner besten Freundin, ohne dass jemand davon erfährt.

Du kannst uns anrufen und mit uns sprechen – anonym oder unter deinem Namen. Wir unterliegen der Schweigepflicht. Das bedeutet, dass wir nicht weitertragen, was du uns erzählst, es sei denn, du gibst und dazu die Erlaubnis.

Ophelia Beratungszentrum für Frauen und Mädchen mit Gewalterfahrung e. V.
Kastanienallee 10, 30851 Langenhagen

Telefon: (0511) 724 05 05
E-Mail: info@ophelia-beratungszentrum.de

Weitere Möglichkeiten der Unterstützung gibt es auf unserer Seite Zusätzliche Telefonnummern und Links.